Venen-Parcours: Training für Herz,
Kreislauf, Muskulatur
Pilot-Projekt des Beerfeldener Physiotherapeuten Werner Janovicz für Herzsport-Patienten
Unter den nackten Fußsohlen kitzeln eben noch Holz-Hackschnitzel, dann
spürt man die Kanten eines Holzpflasters. Wenige Schritte weiter
schmeichelt Sand, drückt sich angenehm durch die Zehen, Gefühle
wechselnder An- und Entspannung durchdringen den Körper. Einem Feld mit
gröberem Kies folgen Steinplatten, Buckelpflaster und ein kleiner Hügel,
den es zu überwinden gilt. Auch fürs Auge viel zu bieten hat eine
Passage, die mit faustgroßen Brocken aus blauem Glas belegt ist.
„Recycling-Glas, das in einer Poliertrommel die scharfen Kanten verloren
hat“, erklärt Werner Janovicz.
Dieser abwechslungsreiche Pfad ist Teil des Venen-Parcours, den der
umtriebige Physiotherapeut angelegt hat, gleich hinter seiner Praxis in
Beerfelden. Am Rand des Rundwegs sind Trainingsstationen eingebaut: Ein
Knie-Baumelbänkchen, eine Schenkel-Wippe und eine Oberschenkelpresse.
Regelmäßiges Training auf diesem Parcours soll Gefäßerkrankungen
vorbeugen, die mit dem Alter zunehmen: Arteriosklerose (Verengung von
Blutgefäßen infolge Ablagerungen) mit den Folgen Bluthochdruck und verstärktem
Risiko von arteriellem Verschluss und Schlaganfall. Auch Aussackungen in
den Blutgefäßen der Beine, etwa durch langes Sitzen provoziert, sind ein
Problem. Gegen all diese Probleme wirken sollen die vielfältigen
motorischen und thermischen Reize, die bei Übungen auf dem Parcours über
die Füße auf Wirbelsäule und Muskulatur, Nerven- und Gefäßsystem übermittelt
werden. „Wir wollen auch die Herzsportler aus den Hallen herausholen,“
sagt Janovicz.
Prachtstück des Freiluft-Venenparcours ist ein künstlicher Bachlauf. Die
Physio- und Lymphtherapeutin Petra Steinmann, hier in ihrer Zusatzfunktion
als lizenzierte Kneipp-Bademeisterin, leitet eben eine Besuchergruppe an
beim Kneipp’schen Wassertreten. Das Wasser, von einer Pumpe umgewälzt,
bezieht Janovicz aus der Finkenbach-Quelle. In einem Sandsteintrog kann
man den Waden einen Guss und den Füßen – unter Zuhilfenahme einer
Wurzelbürste – eine Massage und Reinigung gönnen, bevor zum Ausklang
Ausstreichen und Gymnastik der Waden anstehen, auf bereitstehenden Liegen.
Das Konzept hat Janovicz mit dem Verband deutscher Badebetriebe und dem
Deutschen Kneipp-Verband entwickelt. Die medizinische Begleitung leistet
der Angiologe Erwin Blessing, Oberarzt an der medizinischen Klinik des
Universitätsklinikums Heidelberg. Janowicz hofft, von dort Patienten mit
Bein-Durchblutungsstörungen zugewiesen zu bekommen. Auch eine Studie ist
geplant, mit dem Ziel, den Wert des Gefäß-Trainings nachzuweisen und so
die gesetzlichen Kassen zur Aufnahme der Präventionsmaßnahme in ihren
Leistungskatalog zu bewegen. Bis dahin müssen Anlage und Betrieb des
Parcours privat finanziert werden, Janovicz hat einige Sponsoren gewonnen.
Regelmäßig sollen darauf die Mitglieder der Koronar-Sportgruppe trainieren, deren bisherige Betreuung durch den Turnverein Beerfelden jetzt ausgelaufen ist. Die Zahl der Verordnungen dafür sei seit Langem rückläufig, obwohl diese, so Janovicz, das Budget des ausstellenden Arztes nicht belasten – und obwohl die Zahl der Herz-Patienten keineswegs rückläufig ist. Das Problem des Herzsports sei der Aufwand: Es müsse dafür neben der Räumlichkeit und dem zertifizierten Trainer auch ein Arzt bereitstehen, ein Defibrillator müsse für Notfälle vorgehalten werden. Das hat Janovicz mit der DRK-Station Beerfelden und dem Erbacher Kreiskrankenhaus organisiert. Für die Kardio-Gruppe Erbach-Eberbach ist einmal im Quartal ein Vortrag eines Kardiologen vorgesehen sowie eine Trainingsstunde wöchentlich. Janovicz hofft, das Angebot über den neuen Verein Gesundheitssport Beerfelden e.V. sichern zu können. Der Gefäß-Parcours soll für dessen Mitglieder jederzeit zugänglich sein: „Wir machen keine Betriebsferien“, sagt Janovicz.
Quelle: Echo-Online