Ambulantes Therapiezentrum Janovicz in
Beerfelden
Wieder fit für Beruf und Alltag werden – Im hintersten Zipfel Hessens bietet eine kleine Tagesklinik Hilfestellung an
Andreas Pappert hatte im Mai 2012 einen Arbeitsunfall: der Dachdecker
aus Nordhessen stürzte ab, zu seinem Glück nur zweieinhalb Meter tief.
Eine Woche nach der Erstversorgung wurde er in einer nordhessischen Klinik
am linken Arm operiert, man fixierte sein Handgelenk mit einer Schraube
und setzte eine Radio-Ulna-Prothese nahe dem Ellbogengelenk ein (Radius
und Ulna sind die Fachtermini für die Unterarmknochen Speiche und Elle).
Daran hat der Mann ungute Erinnerungen: „Als ich auf mein Drängen
endlich in eine nordhessische Reha-Klinik kam, stellte man dort fest, dass
die Bewegungsfähigkeit meines Armes stark eingeschränkt war.“ Die
Prothese erwies sich als zu groß, fehlerhaft: in einer neuerlichen
Operation – diesmal in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Frankfurt
– wurde sie entfernt und dabei die Lage des Ulnaris-Nervs korrigiert
(der dem geplagten Mann zusätzlich Gefühlsverluste in der äußeren Hälfte
der linken Hand bescherte). Nachdem an die unglückliche Vorgeschichte nur
noch zwei dünne Narben erinnern, will Pappert baldmöglichst wieder
arbeiten – und hat daher eine Reha-Maßnahme in Beerfelden angetreten.
Derartige „post-operative Anschlussheilbehandlungen“, die meist mit
Abstand von etwa 14 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus beginnen,
sind ein Schwerpunkt von Janovicz’ kleinem Therapiezentrum nahe der
badischen Landesgrenze. Seit 2005 darf es orthopädisch orientierte
Reha-Klinik Versicherte der gesetzlichen und privaten Krankenkassen,
Berufsgenossenschaften (BG) und der Deutschen Rentenversicherung betreuen,
wie Janovicz betont: „Ambulante Reha-Einrichtungen sind laut
Sozialgesetzbuch den stationären Angeboten gleichgestellt.“ Seine
Patienten reisen entweder an Werktagen vom Wohnsitz aus an – oder
logieren in einer kooperierenden Pension in Beerfelden.
Je nach Kostenträger werden rund 15 Reha-Therapietage bezahlt, bis zu 20
„Rehabilitanden“ der Kassen und Rentenversicherung darf Janovicz
gleichzeitig betreuen – eine Mini-Institution im Vergleich zu stationären
Kliniken. Auch samt den Patienten der Berufsgenossenschaften ein kleiner
Kreis, der im engen Kontakt zu den Betreuern steht. Physio-, Sport- und
Ergotherapie, Massage und Badeanwendungen werden angeboten. „Neben dem
üblichen krankengymnastischen und physiotherapeutischen Spektrum, in
dessen Rahmen der Patient täglich vier bis sechs Stunden trainiert,
bieten wir Diätberatung, psychologische und sozialmedizinische
Betreuung.“ Die Auswahl der Therapiemaßnahmen wie auch deren Erfolg
kontrollieren Ärzte, wie der Orthopäde Dr. Joachim Lindemann aus
Eberbach und Dr. Rainer Hartmann, der von seinem Arbeitsplatz an der
Chirurgisch-Orthopädischen Fachklinik Lorsch anreist.
„Dabei haben wir die berufsspezifischen Anforderungen unserer Patienten
im Blick,“ sagt Janovicz. Dazu zählen die Gründe wie auch besondere
Belastungen, die den Unfall des Patienten verursacht, zu Knochenbrüchen,
Sehnen- oder Bänderrissen geführt oder Prothesen nötig gemacht haben.
„Es genauso wichtig, den Patienten über die Übungen hinaus Lebenshilfe
zu bieten,“ sagt Janovicz, der seit 1991 Reha für orthopädisch-traumatologische
Indikationen anbietet. „Wenn jemand Bandscheibenprobleme hat, muss man
mit ihm auch üben, wie man bandscheibenschonend die Zähne putzt und sich
aufs Klo setzt.“
Zu den Herausforderungen des Alltags zählt meist das Autofahren –
besonders für Patienten, die in abgelegenen Gegenden leben. Janovicz
deutet auf einen roten Pkw vor dem Fenster: „Dort steht unser Testauto
– in dem können Patienten lernen, wie man sich rückenschonend
hineinsetzt, wie man den Sitz einstellt. Und wie man Dinge in den und aus
dem Kofferraum hebt, ohne sich Schmerzattacken einzufahren.“
Dazu hat der Therapeut noch einen Trick parat, mit dem sich Rückenschmerz-Geplagte
leichter ins Auto „einfädeln“ können: „Wenn man sich eine Plastiktüte
auf den Sitz legt, kann man sich rückwärts auf den Sitz plumpsen lassen,
ohne den Körper in Schräglage verdrehen zu müssen. Die Vierteldrehung
in Fahrtrichtung fällt auf der glatten Unterlage viel leichter.“ Die
Pedale des Trainings-Mobils sind mit verstärkten Rückholfedern ausgerüstet,
um – im Trockenversuch abseits der Straße – sicherzustellen, dass der
Patient im realen Verkehr in jeder Situation Bremse und Kupplung
problemlos bedienen kann. Auch das überprüfen die Therapeuten.
Trotz allem Engagement und aller therapeutischen Möglichkeiten erfüllen
sich die Hoffnungen der Rehabilitanden nicht immer in vollem Maße.
Andreas Pappert etwa wäre gerne wieder in seinen Beruf zurückgekehrt,
was auch den Arbeitgeber des agilen Dachdeckers erfreut hätte. Doch
daraus wird wohl nichts, wie ihm heute der Arzt eröffnet.
Hartmann freut sich mit dem Patienten darüber, dass bei diesem die
Beweglichkeit des Armgelenks weitgehend wiederhergestellt ist – aber
gemeinsam mit Janovicz, der Pappert während der Reha-Maßnahme betreut
und beobachtet hat, kommt er zu der Beurteilung, dass der Dachdecker zwar
Gerüstteile und Dachsteine wieder handhaben kann – dass aber schwere
Maschinen zuviel an Druck und Vibration auf das geschwächte
Ellenbogengelenk bringen. Arbeit en damit würden seine eigene Sicherheit
gefährden – und auch andere. Zum Abschluss der Reha diskutieren
Therapeuten und Patient Perspektiven der Umschulung zu alternativer Tätigkeit.
Quelle: Echo-Online