Ambulantes Therapiezentrum Janovicz in

 Beerfelden

Wieder fit für Beruf und Alltag werden – Im hintersten Zipfel Hessens bietet eine kleine Tagesklinik Hilfestellung an

Die Funktionstüchtigkeit von Halteapparat und Gelenken prüft Dr. Rainer Hartmann am Arm von Andreas Pappert. Der Dachdecker aus Nordhessen hat nach einem Berufsunfall und Operationen zur Rehabilitation das Therapiezentrum in Beerfelden besucht. Foto: Stephan Görisch

Andreas Pappert hatte im Mai 2012 einen Arbeitsunfall: der Dachdecker aus Nordhessen stürzte ab, zu seinem Glück nur zweieinhalb Meter tief. Eine Woche nach der Erstversorgung wurde er in einer nordhessischen Klinik am linken Arm operiert, man fixierte sein Handgelenk mit einer Schraube und setzte eine Radio-Ulna-Prothese nahe dem Ellbogengelenk ein (Radius und Ulna sind die Fachtermini für die Unterarmknochen Speiche und Elle). Daran hat der Mann ungute Erinnerungen: „Als ich auf mein Drängen endlich in eine nordhessische Reha-Klinik kam, stellte man dort fest, dass die Bewegungsfähigkeit meines Armes stark eingeschränkt war.“ Die Prothese erwies sich als zu groß, fehlerhaft: in einer neuerlichen Operation – diesmal in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Frankfurt – wurde sie entfernt und dabei die Lage des Ulnaris-Nervs korrigiert (der dem geplagten Mann zusätzlich Gefühlsverluste in der äußeren Hälfte der linken Hand bescherte). Nachdem an die unglückliche Vorgeschichte nur noch zwei dünne Narben erinnern, will Pappert baldmöglichst wieder arbeiten – und hat daher eine Reha-Maßnahme in Beerfelden angetreten.
Derartige „post-operative Anschlussheilbehandlungen“, die meist mit Abstand von etwa 14 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus beginnen, sind ein Schwerpunkt von Janovicz’ kleinem Therapiezentrum nahe der badischen Landesgrenze. Seit 2005 darf es orthopädisch orientierte Reha-Klinik Versicherte der gesetzlichen und privaten Krankenkassen, Berufsgenossenschaften (BG) und der Deutschen Rentenversicherung betreuen, wie Janovicz betont: „Ambulante Reha-Einrichtungen sind laut Sozialgesetzbuch den stationären Angeboten gleichgestellt.“ Seine Patienten reisen entweder an Werktagen vom Wohnsitz aus an – oder logieren in einer kooperierenden Pension in Beerfelden.
Je nach Kostenträger werden rund 15 Reha-Therapietage bezahlt, bis zu 20 „Rehabilitanden“ der Kassen und Rentenversicherung darf Janovicz gleichzeitig betreuen – eine Mini-Institution im Vergleich zu stationären Kliniken. Auch samt den Patienten der Berufsgenossenschaften ein kleiner Kreis, der im engen Kontakt zu den Betreuern steht. Physio-, Sport- und Ergotherapie, Massage und Badeanwendungen werden angeboten. „Neben dem üblichen krankengymnastischen und physiotherapeutischen Spektrum, in dessen Rahmen der Patient täglich vier bis sechs Stunden trainiert, bieten wir Diätberatung, psychologische und sozialmedizinische Betreuung.“ Die Auswahl der Therapiemaßnahmen wie auch deren Erfolg kontrollieren Ärzte, wie der Orthopäde Dr. Joachim Lindemann aus Eberbach und Dr. Rainer Hartmann, der von seinem Arbeitsplatz an der Chirurgisch-Orthopädischen Fachklinik Lorsch anreist.
„Dabei haben wir die berufsspezifischen Anforderungen unserer Patienten im Blick,“ sagt Janovicz. Dazu zählen die Gründe wie auch besondere Belastungen, die den Unfall des Patienten verursacht, zu Knochenbrüchen, Sehnen- oder Bänderrissen geführt oder Prothesen nötig gemacht haben. „Es genauso wichtig, den Patienten über die Übungen hinaus Lebenshilfe zu bieten,“ sagt Janovicz, der seit 1991 Reha für orthopädisch-traumatologische Indikationen anbietet. „Wenn jemand Bandscheibenprobleme hat, muss man mit ihm auch üben, wie man bandscheibenschonend die Zähne putzt und sich aufs Klo setzt.“
Zu den Herausforderungen des Alltags zählt meist das Autofahren – besonders für Patienten, die in abgelegenen Gegenden leben. Janovicz deutet auf einen roten Pkw vor dem Fenster: „Dort steht unser Testauto – in dem können Patienten lernen, wie man sich rückenschonend hineinsetzt, wie man den Sitz einstellt. Und wie man Dinge in den und aus dem Kofferraum hebt, ohne sich Schmerzattacken einzufahren.“
Dazu hat der Therapeut noch einen Trick parat, mit dem sich Rückenschmerz-Geplagte leichter ins Auto „einfädeln“ können: „Wenn man sich eine Plastiktüte auf den Sitz legt, kann man sich rückwärts auf den Sitz plumpsen lassen, ohne den Körper in Schräglage verdrehen zu müssen. Die Vierteldrehung in Fahrtrichtung fällt auf der glatten Unterlage viel leichter.“ Die Pedale des Trainings-Mobils sind mit verstärkten Rückholfedern ausgerüstet, um – im Trockenversuch abseits der Straße – sicherzustellen, dass der Patient im realen Verkehr in jeder Situation Bremse und Kupplung problemlos bedienen kann. Auch das überprüfen die Therapeuten.
Trotz allem Engagement und aller therapeutischen Möglichkeiten erfüllen sich die Hoffnungen der Rehabilitanden nicht immer in vollem Maße. Andreas Pappert etwa wäre gerne wieder in seinen Beruf zurückgekehrt, was auch den Arbeitgeber des agilen Dachdeckers erfreut hätte. Doch daraus wird wohl nichts, wie ihm heute der Arzt eröffnet.
Hartmann freut sich mit dem Patienten darüber, dass bei diesem die Beweglichkeit des Armgelenks weitgehend wiederhergestellt ist – aber gemeinsam mit Janovicz, der Pappert während der Reha-Maßnahme betreut und beobachtet hat, kommt er zu der Beurteilung, dass der Dachdecker zwar Gerüstteile und Dachsteine wieder handhaben kann – dass aber schwere Maschinen zuviel an Druck und Vibration auf das geschwächte Ellenbogengelenk bringen. Arbeit en damit würden seine eigene Sicherheit gefährden – und auch andere. Zum Abschluss der Reha diskutieren Therapeuten und Patient Perspektiven der Umschulung zu alternativer Tätigkeit.

Quelle: Echo-Online

06. Februar 2013  | Von Stephan Görisch

 

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Therapiezentrum Janowicz

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